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Zu Fuß durchs Maisfeld zum Turnen

    Badische_Zeitung
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    Karin Schätzle, Ehrenpräsidentin des Turnvereins Oberrotweil, blickt auf Jahrzehnte im Verein zurück. Ihre Geschichte ist geprägt von der Leidenschaft für das Turnen und unermüdlichem Einsatz. © Reinhold John

    VOGTSBURG-OBERROTWEIL: Kürzlich wurde sie als erste Ehrenpräsidentin des Turnvereins Oberrotweil geehrt, nun sitzt sie in ihrem Esszimmer in Oberbergen vor einem wohl sortierten Stapel von Bildern und Dokumenten, Ordner warten auf weitere Befüllung. „Ja, das mache ich wahnsinnig gern, die Vereinsgeschichte dokumentieren“, sagt Karin Schätzle. Was sie aber eigentlich hier macht: die Vereinsgeschicke lenken, indem sie eine wohlgeordnete Übergabe organisiert. Karin Schätzle ist 71 Jahre alt und war bis vor Kurzem zweite Vorsitzende des Turnvereins (TV). In schlichten Zahlen sieht ihr unermüdlicher Einsatz für den TV so aus: 1963 ist sie in den Verein eingetreten, seit 56 Jahren ist sie Übungsleiterin, seit 53 Jahren hat sie im Vorstand wesentlich daran mitgewirkt, dass der TV mit 876 Mitgliedern der personenstärkste Verein Vogtsburgs geworden ist.

    Wie alles anfing
    Die Zehnjährige wuchs in Niederrotweil auf, die Eltern bewirtschafteten im Nebenberuf Reben. Karin Schätzle wusste schon ganz früh, dass sie zum Turnen wollte, zum Geräteturnen, an ihren geliebten Barren: „Ich habe daheim gebettelt, dass ich dabei sein dürfe, ich wollte unbedingt zum Turnen in den TV.“ Früher seien Eltern generell
    nicht so offen gewesen, dass Kinder und Jugendliche einfach so zum Training gehen und zu Wettkämpfen antreten konnten“, so Schätzle. Ihre Eltern hätten ein Einsehen gehabt und ließen die Tochter ziehen. Zu Fuß mit einer Freundin ging es durch den hohen Mais nach Oberrotweil, seinerzeit habe man noch viel Saatmais in den Tallagen für Norddeutschland angebaut. Weil es im Winter auf dem Heimweg schon dunkel war, hätten die Eltern ihnen mit Taschenlampen entgegen geleuchtet und so Sicherheit gegeben. Früh schon habe sie als Serviermädchen gearbeitet und sich davon ein Mofa Victoria gekauft, so war sie mobil und sauste zu den Rebarbeiten und ins geliebte wöchentliche Training.

    Karin Schätzle, Ehrenpräsidentin des TV Oberrotweil Foto: Reinhold John
    Karin Schätzle, Ehrenpräsidentin des TV Oberrotweil Foto: Reinhold John

    Frühes Engagement im Verein
    „Und mich haben sie schon als junges Mädele sofort im Verein kassiert für Trainingsleitung und Ämter“, so Schätzle beiläufig. Als hätte sie keine Wahl gehabt. Sie besuchte viele Lehrgänge, war berufstätig im Bischoffinger Krankenhaus, zog zwei Kinder groß und pflegte wie aus dem Elternhaus gewohnt mit ihrem Mann eigene Reben. „Ich habe die Kinder manchmal mitgenommen, wenn es zu einem Lehrgang ging, wo sollten die auch hin?“ Früh schon nahm sie selbst an Wettkämpfen teil und organisierte auch die Reisen in die nahe Umgebung oder in fernere Städte. Das waren lokale Termine im Turnerkreis Kaiserstuhl-Tuniberg, Teilnahmen beim Landesturnfest in ganz Baden-Württemberg und Wettkämpfe in Leipzig, Berlin, Dortmund, Hamburg und vielen
    weiteren Städten: „Ich habe über das Turnen die deutschen Städte kennengelernt, ich habe als Leithammel immer mitgemacht, die Reise organisiert, aber auch aktiv teilgenommen am Wettbewerb“, sagt sie. Die aktive Teilnahme am Wettkampf oder das Mitwirken bei der Durchführung der Veranstaltung habe sie auch von anderen erwartet. Einfach so sei keiner mitgekommen. 1987 hatte sie die Lizenz zur Übungsleiterin erworben und dafür gesorgt, dass diese Ausbildung zum Standard im Verein wurde. Aktuell gebe es 27 lizenzierte Übungsleiterinnen und Übungsleiter im
    Verein.

    Der Übergang
    Klar habe sie die Schränke voller Medaillen und Urkunden, aber die eigenen Erfolge seien ihr gar nicht wichtig. Immer wieder führt sie das Gespräch zurück auf den Verein, dessen Wohl ihr ein ganz besonderes Anliegen sei. „Wir wollen alle fördern, nicht Spitzensportler ausbilden“, betont sie. Spaß am Sport stehe im Vordergrund, wer mehr wolle, könne zum Leistungszentrum nach Herbolzheim wechseln. Vielleicht ist dies das Erfolgsrezept für den Verein, der regen Zulauf aus allen Vogtsburger Ortsteilen und von weiter her erlebt? Ob es auch ihr Erfolg sei? „Wenn ich die Klinke
    der Turnhalle in der Hand habe, dann muss meine Stimmung eine andere sein als zuvor. Egal, was vorher war, hier haben wir Freude am Sport“, so die Antwort. Dieses gute Grundgefühl hat sich vielleicht übertragen. Nun werde sie gerne gehen, der Vorstand sei in sehr guten Händen, für alle Positionen
    haben sie wunderbare junge Leute gefunden. Ob ihr nun etwas fehlen wird? „Nein, ich bin ja nicht außen vor, auf Zuruf stehe ich gerne bereit. Ich werde mich aber nicht einmischen.“ Wie zum Beweis klingeln Festnetz- und Mobiltelefon während des Gesprächs im Wechsel und Karin Schätzle gibt kurze prägnante Antworten.
    Damals vor vielen Jahrzehnten habe sie „einen großen Karton bekommen“, das wolle sie ihren Nachfolgern ersparen. Ja, es sei ihr Lebensinhalt gewesen, „und ich wollte es nicht missen“. Doch nun sei Schluss und in der Oberrotweiler Halle hinge nun ihre Dankesbotschaft an alle, „denn es war und ist Teamarbeit“. Und auch ihr Mann habe mitgewirkt, habe er doch den TV Oberrotweil mitgeheiratet.